Höhere Mächte

aus dem Chronist-Wiki, der deutschen BIONICLE-Enzyklopädie
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Die Webserie Höhere Mächte (engl. The Powers That Be) erschien 2010 auf BIONICLEstory.com. Die Geschichte wurde von Greg Farshtey geschrieben und die Übersetzung stammt von Nuhrii the Metruan.

Kapitel 1

Toa Gaaki setzte sich erschöpft auf einen Felsen. Zusammen mit einer Handvoll anderer Toa des Wassers hatte sie tagelang daran gearbeitet, Meereskreaturen und anderen Bewohnern des Ozeans beim Übersiedeln aus dem ruinierten Makuta-Roboter in die Sicherheit Aqua Magnas zu helfen. Es war eine strapaziöse Arbeit, insbesondere nachdem die Mächtigste von ihnen – Gali Nuva – von Tahu für eine Sondermission weggerufen worden war.

Sie erschuf einen sachten Regen, um sich abzukühlen. Die Tropfen waren kälter, als sie erwartete, und Gaaki erschauderte sogar. Sie wandte sich um und sah den Grund für den Temperaturwechsel. Kopaka, Toa Nuva des Eises, näherte sich.

„Hast du Tahu gesehen?“, fragte er mit Dringlichkeit.

„Ist nach Norden gegangen, mit Gali, um einen Standort für Neu-Atero zu suchen“, antwortete Gaaki. „Was ist los?“

„Die Toa Mahri sind in Gefahr“, sagte Kopaka. „Wahrscheinlich sogar wir alle. So ungern ich es auch zugebe, ich denke, es ist zu viel als dass ich alleine damit fertig würde.“

Gaaki kannte Kopaka nicht gut, aber sie hatte genügend Geschichten gehört, um zu erkennen, dass ein Geständnis wie dieses ernsthaften Ärger bedeutete. Nicht zum ersten Mal bedauerte sie die Tatsache, dass sie keine wirkliche Kontrolle über ihre Maske des Hellsehens hatte. Sie gab ihr immer nur einen kurzen Ausblick auf die nahe Zukunft wenn es ihr passte, nicht auf ihren Wunsch hin. Sie brauchte jedoch keine Maskenkraft, um zu sehen, wie ausgelaugt Kopaka aussah.

„Du bist müde“, sagte sie. „Ich weiß nicht, wann Tahu zurück sein wird, und es klingt so, als könne das, was auch immer du gefunden hast, nicht warten. Erzähl mir die Geschichte und mein Team wird sich die Sache mal ansehen.“

Kopaka erläuterte, wie er eine Bande barbarischer Skakdi auf einer Reise quer durch Bara Magna gesehen hatte, denen ein offenbar unterwürfiges Team aus Toa Mahri nachfolgte. Beide Gruppen folgten einem seltsamen, goldhäutigen Wesen, desgleichen Kopaka noch nie gesehen hatte. Während er zusah, erschuf das Wesen ein massives Schloss mit einem bloßen Winken seiner Hand. Er war zum Lager zurückgerannt, um die anderen Toa zu warnen und Hilfe zu suchen.

Es verstieß gegen Kopakas Natur, jemand anderes seine Arbeit für sich tun zu lassen. Aber er musste zugeben, dass Gaaki Recht hatte: er war erschöpft. Auf diese Weise in die Schlacht zu ziehen würde sowohl ihn als auch sämtliche Verbündete gefährden. Sie versprach ihm, dass die Toa Hagah nur die Situation auskundschaften und sich dann mit ihm absprechen würden, bevor sie irgendetwas unternahmen.

Kopaka verbrachte den Großteil des Tages damit, die Bemühungen der Bergungsmannschaften zu beobachten und zu helfen, wo er konnte. Gegen Abend lief ihm Pohatu Nuva über den Weg und die beiden arbeiteten zusammen, um einen kühlenden Unterschlupf für diejenigen zu schaffen, die in dem arbeiteten, was von der Bara-Magna-Wüste übrig war. Sie waren gerade damit beschäftigt, als ein fremder Toa der Luft über den Sand auf sie zu stapfte.

„Wie habt ihr sie das tun lassen können?“, verlangte der grün gepanzerte Toa zu wissen. „Wie hat irgendeiner von euch sie das tun lassen können?

Pohatu aktivierte seine Maske der Geschwindigkeit und schoss blitzschnell nach vorne, um den Neuankömmling abzufangen. „Mach mal langsam“, sagte der Toa Nuva des Steins. „Was zu tun? Wovon redest du?“

Karzahni“, spie der Toa. „Die perverseste, böseste, sadistischste Ausrede für ein Lebewesen, der ich je begegnet bin – und jemand hat ihn freigelassen. Er ist irgendwo auf diesem Planeten und ich werde ihn finden.“

„Das ist in Ordnung“, sagte Pohatu, versuchend, seine schroffe Stimme beruhigend klingen zu lassen. „Vielleicht können mein Freund und ich helfen. Aber es wäre hilfreich, wenn wir zuerst wüssten, wer du bist.“

„Mein Name ist Lesovikk“, sagte der Toa der Luft. „Und ich brauche eure Hilfe nicht. Sagt mir einfach, wo ich Karzahni finden kann, und ich kümmere mich um den Rest.“

Pohatu zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Bin ihm nie begegnet.“

„Die Toa Mahri hatten schon mit diesem Karzahni zu tun“, sagte Kopaka. „Aber sie sind derzeit... unabkömmlich. Dennoch, wir wissen, dass er extrem gefährlich ist. Wenn er hier frei herumläuft, werden wir bis zum Morgengrauen eine Suche organisieren.“

Lesovikk schüttelte den Kopf. „Bei Morgengrauen wird es bereits zu spät sein. Wir müssen ihn sofort finden. Wenn ihr helfen wollt, könnt ihr beim ersten Tageslicht meine Spur aufnehmen.“

Daraufhin verschwand Lesovikk in die wachsende Dunkelheit. Pohatu sah zu, wie er ging. „Dickkopf“, sagte er.

„In der Tat“, sagte Kopaka.

„Erinnert mich irgendwie an jemanden, den ich kenne“, sagte der Toa des Steins.

Kopaka funkelte ihn an. „Keine Ahnung, wen du meinst.“


Am nächsten Morgen brachen Kopaka und Pohatu auf, um Lesovikks Weg zu folgen. Kopaka hatte arrangiert, dass er sofort informiert werden würde, falls Gaaki und die Toa Hagah mit irgendwelchen Neuigkeiten zurückkehrten. Die Spur des Toa der Luft verlief nach Osten, in Richtung des Dorfes Vulcanus. Als sie sich jenem Ort näherten, verbargen die wandernden Sandkörner jegliche Hinweise auf Lesovikks Reiseweg.

„Vielleicht hat er diesen Pfad verlassen“, sagte Pohatu. „Wir haben es vielleicht übersehen.“

„Vielleicht“, sagte Kopaka. „Oder vielleicht hat er entschieden, dass es klüger wäre, seine Spuren zu verwischen.“

„Ich werde das Gelände vor uns auskundschaften“, sagte Pohatu.

„Sei vorsichtig.“

„Muss ich nicht sein“, erwiderte der Toa des Steins grinsend. „Ich bin schnell.“

Pohatu verschwand. Einen Augenblick später war er wieder da. Sein Lächeln war nicht mit ihm zurückgekehrt.

„Das solltest du dir besser ansehen“, sagte er. Er packte Kopaka und verwendete seine Maskenkraft erneut, womit er sie beide über den Sand rennen ließ. Sie kamen am Rand der Eisenschlucht zum Halt.

„Schau“, sagte Pohatu.

Kopaka spähte über den Rand der Schlucht. Am Boden konnte er die zerbrochenen Überreste eines Körpers sehen.

„Tot?“, fragte Kopaka.

„Allerdings“, sagte Pohatu. „Warte. Es wird noch besser.“

Pohatu führte Kopaka den steilen Abhang zum Boden der Schlucht hinab. Selbst der Toa des Eises, der seinen Anteil grausamer Anblicke bereits gesehen hatte, war angesichts des Schreckens der Szene betroffen. Es brauchte nur einen flüchtigen Blick, um zu bestätigen, dass die Leiche der Beschreibung entsprach, die Toa Jaller einst von Karzahni gemacht hatte.

„Also floh er aus dem Lager, kam bis hierher, stolperte und fiel in die Schlucht“, sagte Kopaka. „Schlechte Art und Weise, um zu sterben, aber soll vorkommen.“

„Falls der Sturz die Todesursache ist“, erwiderte Pohatu. „Schau dir seinen Rücken an.“

Kopaka kniete sich hin. In Karzahnis Rüstung befand sich eine Stichwunde. Sie konnte von einer Waffe stammen, oder einfach nur von einem der zerklüfteten Felsen bei seinem Sturz.

„Und jetzt schau dir das an“, sagte der Toa des Steins. Er streckte seine Hand aus. In ihr hielt er ein Schwert mit einer gekurvten Klinge. Kopaka hatte seinesgleichen bereits gesehen. Lesovikk hatte es getragen.

„Du denkst...?“

„Könnte sein“, nickte Pohatu. „Er findet Karzahni, ersticht ihn und sein Feind fällt über die Klippe in die Schlucht hinab.“

„Wenn das stimmt, hat er den Toa-Kodex gebrochen“, sagte Kopaka. „Wir müssen ihn zur Strecke bringen.“

Pohatu wollte antworten, dann wandte er sich beim Heulen des Windes um. Ein Zyklon wirbelte durch die Schlucht, direkt auf die beiden Toa zu.

„Falls wir das können, Bruder“, sagte Pohatu. „Falls wir das können.“

Kapitel 2

Pohatu packte Kopaka. Ein Stoß superschneller Geschwindigkeit und sie würden beide dem herannahenden Zyklon davonschießen. Kopaka schüttelte ihn ab.

„Manche Dinge, Bruder, kann ich selbst regeln“, sagte der Toa Nuva des Eises.

Daraufhin entfesselte Kopaka einen Eisstrahl aus seiner Schneesturmklinge. Er formte eine ein Meter dicke Wand quer durch die Schlucht. Der Zyklon traf sie frontal. Die Eiswand begann, brüchig zu werden. Kopaka setzte noch mehr Kraft ein, um sie zu flicken.

„Warum hauen wir nicht einfach--?“, sagte Pohatu.

„Ruhe“, antwortete Kopaka. „Ich muss mich konzentrieren.“

Pohatu zuckte mit den Schultern. Manchmal entschied sich Kopaka, die Dinge auf die schwierigste Weise zu tun, einfach nur um der Sturheit willen. Tatsächlich tat er das die meiste Zeit und Pohatu störte es nie sonderlich. Aber es nun zu tun, da sie über einem toten Körper standen und ein potenzieller Mörder auf freiem Fuß war, schien ihm eine schlechte Zeit dafür.

Seine Maskenkraft aktivierend, schoss Pohatu in Richtung des Zyklons davon, wobei er im Lauf durch Kopakas Eiswand vibrierte. Indem er in seiner Drehrichtung wieder und wieder um ihn herumrannte, hob er die Kräfte des Wirbelwinds auf. Dieser löste sich schnell auf und Pohatu kam schlitternd auf dem felsigen Untergrund zum Halten. Er schaute zurück zu Kopaka, aber alles, was er sehen konnte, war die weiße Wand. Genervt kickte Pohatu einen Felsbrocken gegen sie, wodurch er genau durch die Mitte ein Loch schlug. Durch das Loch konnte er einen verblüfften Kopaka sehen.

„Die beste Defensive ist eine gute Offensive, stimmt's?“, sagte Pohatu.

„Nicht, wenn man etwas beweisen will“, blaffte Kopaka.

Pohatu raste zurück an die Seite des Toa des Eises. „Und das wäre?“

„Denk mal drüber nach. Wenn Lewa einen Zyklon auf jemanden ansetzen würde, würde eine Wand – irgendeine Wand – ihn aufhalten? Oder würde er einfach dafür sorgen, dass seine Schöpfung aufsteigt und über die Barriere hinweggeht? Aber dieser Wirbelwind prügelte einfach weiterhin auf die Wand ein.“

„Also war Lesovikk nicht hier, um ihn zu lenken, oder...“, begann Pohatu.

„Oder er hat ihn erst überhaupt nicht erschaffen“, beendete Kopaka. „Manchmal ist ein Zyklon einfach nur ein Zyklon... kein Versuch, Beweismittel zu vernichten.“

Pohatu schaute sich auf dem Schluchtboden um. Er war übersät mit Höhlen, Felsvorsprüngen und eintausend anderen Orten, an denen sich jemand verstecken könnte. „Können wir hier raus? Über diesen Ort steht ganz groß 'Hinterhalt' geschrieben.“

Kopaka deutete auf Karzahnis Leiche. „Ich denke, er wäre deiner Meinung.“


Die beiden Toa lasen den Körper auf und brachten ihn zurück in das Lager der Agori und Matoraner. Tahu und Gali waren von ihrer Kundschaftermission in den Norden zurückgekehrt. Der Toa des Feuers lauschte den Nachrichten mit grimmiger Miene. Als Kopaka die Geschichte zu Ende erzählt hatte, kniete Tahu sich hin, um den Körper zu untersuchen. Nach einem Moment erhob er sich und ging davon, wobei er Kopaka bedeutete, ihm zu folgen.

„Das ist schlimm“, sagte Tahu leise. „Wir müssen uns das Vertrauen dieser Agori und Glatorianer verdienen, wenn wir Mata Nuis Wünschen entsprechen und hier eine friedliche Gesellschaft aufbauen wollen. Wir sind noch lange davon entfernt, einen Standort für Neu-Atero zu finden. Was uns jetzt gerade noch fehlt ist irgendein abtrünniger Toa, der herumrennt und seinen Privatkrieg führt.“

„Lesovikk ist immer noch unser bester Verdächtiger“, stimmte Kopaka zu. „Aber wir haben keine Ahnung, wo er hingegangen ist.“

„Ich schon“, sagte Tahu.


„Wir sahen, wie er nach Norden ging“, sagte Gali zu Pohatu. „Und wenn ich so drüber nachdenke... ich glaube nicht, dass er sein Schwert bei sich hatte.“

Pohatu runzelte die Stirn. „Nun, das ist nicht gut. Aber warum sollte er es zurücklassen?“

„Ich weiß es nicht“, sagte Gali. „Vielleicht sollte ihn jemand das fragen gehen?“

„Sollte man vielleicht tun“, erwiderte Pohatu. „Also, wie verlief eure Reise?“

Gali zuckte mit den Achseln. „Nicht so gut. Wir haben alles abgesucht, aber nichts sagte Tahu richtig zu. Wir sind noch lange davon entfernt, einen Standort für Neu-Atero zu finden. Aber das wird schon klappen. Wir schulden es unserem Volk und dem Volk von Spherus Magna.“

Pohatu nickte. Eine Schar Agori in der Nähe fiel ihm auf. Sie tuschelten untereinander und deuteten auf die Toa. Gerüchte über einen Mord in der Wüste machten bereits die Runde. Pohatu fragte sich, ob die Agori dachten, er und Kopaka hätten nicht nur den Körper gefunden, sondern sogar die Tötung selbst begangen.

Sieht so aus, als hätten wir einen Grund mehr, Lesovikk zu finden, dachte er. Und das besser bald.


Am nächsten Morgen, mit Reittieren und Proviant, brachen die beiden Toa nach Norden auf. Tahu hatte angeboten, mitzukommen, aber Kopaka hatte nein gesagt. „Falls die Agori uns zu verdächtigen beginnen, brauchen wir unseren Anführer hier, damit er die Dinge unter Kontrolle behält“, hatte der Toa des Eises argumentiert. „Du und Gali redet mit Ackar, lasst ihn wissen, was vor sich geht. Pohatu und ich werden uns um den Rest kümmern.“

Nun, einen mehrere Stunden langen Ritt vom Lager entfernt, dachte Pohatu, dass es an der Zeit wäre, die Frage zu stellen. „Also, wie werden wir mit ihm umspringen?“

„Was meinst du damit?“, fragte Kopaka.

„Schau mal, wir haben Tahu damals auf der Insel bekämpft, als er dieses Rahkshi-Gift in sich trug“, sagte Pohatu. „Und andere Toa sind in der Vergangenheit schon böse geworden und mussten aufgehalten werden... aber er ist immer noch einer von uns, und dieser Tage sind nicht allzu viele von 'uns' übrig. Außerdem, von dem was ich gehört habe... falls er Karzahni getötet hat... dann hatte er einen guten Grund.“

„Vielleicht ist das das Problem“, sagte Kopaka. „Er fühlte sich gerechtfertigt. Karzahni war schließlich eine Abscheulichkeit. Aber Monster zu bekämpfen ist unsere Aufgabe. Wenn wir zu glauben beginnen, dass wir einen guten Grund haben, sie zu töten, und wir das auch tun, dann werden wir keinen Deut besser als die. Wir sollen Verteidiger sein, keine Scharfrichter.“

„Ich meine ja nur...“

„Ich weiß, was du meinst... glaube mir, das tue ich“, sagte Kopaka. „Aber es ist eine dünne Linie zwischen einem Helden und einem Monster. Wenn Lesovikk sie überschritten hat, dann halten wir ihn auf. Endgültig.“


Die beiden Toa ritten drei Tage lang gen Norden. Das Land ging von braun in einen grünen, üppigen Wald über, der die Sanddünen ersetzte. Sie sahen keine Spur von Lesovikk oder irgendjemand anderem. Mehr als nur einmal wunderte Pohatu sich laut, was mit Lewa, dem Toa Nuva der Luft, passiert war. Vielleicht wäre ein Luftkraftbesitzer besser in der Lage, einen anderen zu finden, schlug er vor. Aber Lewa war vor Makutas Niederlage verschwunden und man hatte ihn seither nicht gesehen.

Kopaka wiederum konzentrierte sich auf den Mord. Sämtliche Beweise deuteten in eine Richtung, aber was, wenn es nicht die richtige Richtung war? Sicher, Lesovikk hatte Mittel, Motiv und Gelegenheit, um Karzahni zu töten, aber das traf auch auf viele andere zu. Und was das betraf, vielleicht ging es dabei nicht um Karzahni, nicht persönlich?

Pohatu verstand nicht, worauf sein Freund hinauswollte. „Jemand hat ihn mit einem Schwert abgestochen und ihn über den Rand einer Klippe gestoßen. Wie soll das bitteschön nicht persönlich sein?“

Kopaka zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Es ist einfach... was, wenn es dabei nicht um etwas ging, das Karzahni getan hatte, sondern darum, wofür er stand?“

„Verrückte Leute mit zusammengeflickten Masken und einer richtig miesen Grundhaltung? Ja, ich kann mir vorstellen, wie Karzahni für so etwas steht.“

Bevor die Debatte weitergehen konnte, hielt Kopaka eine Hand hoch, um so für Stille zu sorgen. Etwas bewegte sich im Wald vor ihnen. Lesovikk? Jemand anders? Kopaka sammelte seine Elementarenergien, bereit für einen Angriff.

Nichts konnte auch nur einen der Toa auf das vorbereiten, was als nächstes geschah. Ein Schrei riss durch ihre Geister, einer, der aus purer Qual und noch etwas anderem bestand... völligem Entsetzen. Der mentale Schrei war so stark, dass beide Toa von ihren Reittieren stürzten und mit den Händen ihre Audiorezeptoren bedeckten. Das brachte nichts. Der Schrei war nicht physikalischer, sondern telepathischer Natur, und er brachte kurz aufblitzende Bilder mit sich, die keiner der beiden Toa jemals vergessen würde.

Als er schließlich verklang, war Kopaka der erste auf den Beinen. Bevor Pohatu ihn stoppen konnte, rannte er in den Wald davon. Als der Toa des Steins ihn einholte, traf er Kopaka über etwas stehend an, das wie ein Stück scharlachroter Gelatine aussah. Pohatu schaute sich um und sah, dass ähnliche Objekte den Boden in hunderten Metern Umkreis bedeckten. „Ist das--?“

Kopaka nickte. „Selbst wenn ich keinerlei Beschreibungen gehört hätte, hätte dieser mentale Blitz mir alles verraten. Das ist Tren Krom, überall verstreut.“

Pohatus Augen weiteten sich. „Der Tren Krom?“ 'Schau-ihn-dir-an-und-du-drehst-durch, hat-einst-das-Universum-beherrscht'-Tren-Krom? Was könnte ihn... das da... antun?“

Kopaka antwortete nicht. Tren Krom sollte Karzahni kräftemäßig weit in den Schatten stellen. Aber jemand oder etwas hat ihn binnen eines Augenblicks zu Stücken reduziert und keine offensichtlichen Hinweise zurückgelassen. Es war gewiss ein Verbrechen, das in der Macht eines Toa der Luft stand, bis auf eine Sache. Es war ein Bild telepathisch in Kopakas Verstand geschickt worden, das nicht auf Lesovikk hinwies. Es war ein einfaches, klares Bild eines einzigen Objekts.

Eines roten Sterns.

Kapitel 3

Kopaka und Pohatu standen im Wald und starrten die Überreste von Tren Krom an. Einst eines der mächtigsten Wesenheiten im Matoranischen Universum, war Tren Krom nun nur Stücke, die im Laub verstreut dalagen, ein mehr als nur verstörender Anblick, aus mehrerlei Gründen.

„Ich frage mich, wer als nächster dran ist“, sagte Pohatu.

„Wovon redest du?“, fragte Kopaka.

„Erkennst du es nicht? Erst Karzahni, jetzt Tren Krom... hier liegt ein Muster vor. Wesen mit großer Macht sterben, eines nach dem anderen.

„Zwei Todesfälle sind wohl kaum ein Muster“, erwiderte der Toa Nuva des Eises. „Zwei gänzlich verschiedene Orte, zwei verschiedene Mordmethoden... Ich gestehe, dass ich mich gefragt habe, ob Lesovikk möglicherweise Tren Krom getötet hat, aber mir ist völlig schleierhaft, welches Motiv er dafür gehabt haben sollte.“

Pohatu schüttelte seinen Kopf. „Lesovikk hat ihn nicht getötet. Zumindest glaube ich das nicht. Lesovikk war wütend auf Karzahni, auf Rache aus, aber er war nicht irre. Wer auch immer das getan hat... nun, sagen wir einfach, es hätte sauberere Methoden gegeben, um Tren Krom loszuwerden.“

Kopaka ging in die Hocke, um die Überbleibsel zu untersuchen. „Das stimmt. Und wir müssen uns auch fragen: Wer könnte nahe genug an Tren Krom herangekommen sein, um das zu tun? Sein Verstand war stark genug, um einen anderen Intellekt selbst auf große Entfernung zu spüren, soweit ich weiß.“

„Vielleicht jemand, dem er vertraut hat?“, fragte Pohatu.

Kopaka stand da und schaute sich im Wald um. Er fühlte sich drückend still an. „Ich bezweifle, dass er vielen vertraute, wenn überhaupt jemandem. Aber bedenke dies: er sollte eigentlich körperlich an seine Insel in unserem alten Universum gebunden sein, bewegungsunfähig. Aber als die Agenten des Ordens von Mata Nui ihn bergen gingen, war er weg. Und jetzt ist er auf einmal hier und tot.“

„Der Orden... meinst du, die—?“

Pohatus Frage wurde von einem Geräusch von hoch oben unterbrochen. Jemand oder etwas war in den Bäumen. Pohatu konnte es nicht klar erkennen, aber er konnte erkennen, dass es – was auch immer es war – große Flügel hatte.

„Soll ich?“, fragte er Kopaka.

„Also bitte“, sagte der Toa des Eises. „Manche Dinge kann ich selbst tun.“

Kopaka beschwor seine Elementarenergien herauf und schleuderte einen Strahl aus Frost auf den Beobachter in den Bäumen. Damit erzielte er, dass dessen Flügel von Eis bedeckt wurden und der Fremde von seinem Spähposten auf den Boden stürzte.

Pohatu sah zu, wie der Neuankömmling benommen aufzustehen versuchte. Er hatte tatsächlich gebogene Flügel, gepaart mit recht langen Armen und Beinen. Er trug eine Kanohi-Maske und ein Feuerschwert war ihm aus den Händen gerutscht, als er gefallen war. Kein Eingeborener von Spherus Magna also, dache Pohatu. Das ist einer von unseren.

„Wer bist du?“, verlangte Kopaka zu wissen. „Warum hast du uns ausspioniert?“

„Nicht ausspioniert“, keuchte die geflügelte Kreatur. „Gejagt.“

„So, wie du Tren Krom hier gejagt hast?“, sagte Pohatu.

Das Ding schüttelte seinen Kopf. „Ich habe ihn nicht gejagt... das war jemand anders. Aber dann ging er, ohne zu sich zu nähren, also wurde die Nahrung meine.“

„Wer ist gegangen? Wer hat ihn getötet?“, fragte Kopaka.

„Ich habe versucht, nachzusehen“, sagte die Kreatur. „Aber er wusste, dass ich dort war. Ein pfeifender Wind riss mich von meinem Beobachtungsposten und brach den Bäumen viele Glieder ab. Bis ich wieder den Himmel berührte, war er weg.“

„Ich hab mich umgesehen“, sagte Pohatu. „Ich habe keine Spuren gesehen, die in diesen Bereich hinein oder aus ihm heraus führten.“

„Wäre ich einer euresgleichen, würdet ihr mir glauben“, sagte die Kreatur verbittert. „Aber ich vermute, ihr denkt, Wahrheit sei für mich so fremd wie mein Äußeres es für euch ist.“

Pohatu schaute Kopaka an, dann wieder das geflügelte Wesen. „Wie heißt du?“

„Als es noch jemanden gab, um mich beim Namen zu nennen, lautete er Gaardus. Aber das war vor langer Zeit, als ich in einem Koro lebte. Jetzt bin ich nur noch, was ihr seht.“

„Du... warst ein Matoraner?“, fragte Kopaka, der versuchte, den Unglauben aus seiner Stimme herauszuhalten, dabei aber scheiterte.

Gaardus schüttelte die verbliebenen Eisfragmente von seinen Flügeln ab und kam auf die Füße. „Ihr sagt diesen Namen, als hafte ihm irgendeine Ehre an. Ja, ich war ein Matoraner. Ich hatte ein Zuhause, eine Arbeit, ein Leben. Dann wurde ich von einer Bande meiner Brüder verschleppt, die für Verbrechen verbannt wurden, die zu schrecklich sind, um sie zu erzählen. Sie waren Nynrah-Geister, verhasst und gefürchtet selbst bei ihresgleichen.

„Ich habe von den Nynrah gehört“, sagte Kopaka. „Waffenschmiede.“

„Wie du sagst“, erwiderte Gaardus. Er erschauderte, als brächten die bloßen Erinnerungen Schmerz. „Sie versuchten, eine lebendige Waffe anzufertigen... ich war das Resultat. Aber ich war zu schlau für sie. Ich entkam... und ich jagte... bis keiner von ihnen mehr übrig war.“

Pohatu war schockiert. Welche Art von Matoraner konnte ein anderes Mitglied seiner Spezies derart mutieren? Wie hatten die anderen Nynrah dies zulassen können? Waren sie so besessen von der Geheimhaltung ihrer Kultur, dass sie nie daran gedacht hatten, einen Toa herbeizurufen, um ihre Exilanten daran zu hindern, etwas dermaßen Schreckliches zu tun?

„Du bist irgendwie aus dem Roboter entkommen“, sagte Pohatu. „Vielleicht mit den Rahi, sodass du nicht bemerkt werden würdest. Ich vermute, du bist inzwischen recht gut im Verstecken. Dann gingst du gen Norden, so weit weg von deinen... den Matoranern wie möglich.

„Ich wollte wegkommen von dem Zorn“, antwortete Gaardus. „Aber er folgte mir sogar an diesen friedlichen Ort.“

Kopaka konnte nicht anders als Mitleid für die tragische Kreatur zu empfinden, die vor ihm stand. Aber es gab zwei Todesfälle zu erklären, und es blieb keine Zeit, um altes Unrecht wiedergutzumachen. Vielleicht, wenn all dies vorbei war...

„Was hast du gesehen? Erzähle uns alles“, sagte er.

„Derjenige, den ihr Tren Krom nennt, tauchte aus dem Nirgendwo im Wald auf“, begann Gaardus und sprach langsam und vorsichtig. „Er war... verwirrt. Er konnte sich bewegen, aber nicht sehr weit oder sehr schnell. Ich wollte jagen gehen, aber sein Verstand berührte meinen, und es tat weh. Dann... war da jemand anders, und die Winde kamen, und ich sah den Stern, und...“

„Warte!“, sagte Kopaka. „Du sahst einen Stern? Was für einen Stern?“

„Den roten Stern“, sagte Gaardus, als wäre die Antwort offensichtlich. „Ich sah ihn in meinem Kopf.“

Kopakas Interesse war geweckt. Er hatte auch ein Bild des roten Sterns gesehen, das von Tren Krom in dessen Todesmoment telepathisch projiziert worden war. Der rote Stern war in den Tagen, als Kopaka und seine Verbündeten dort erstmals ankamen, über der Insel Mata Nui geschwebt. Etwas später erfuhren er und die anderen, dass der Stern tatsächlich irgendeine Art Startraketensystem war, welches der Mata-Nui-Roboter verwendete, um aus dem Sog der Schwerkraft eines Planeten auszubrechen. Er war kein echter Stern, sondern ein Motor. Nichts davon erklärte, weshalb Tren Krom in einem Moment solcher Drangsal so nachdrücklich an ihn denken sollte.

„Ich habe so lange schon nicht mehr an den Stern gedacht“, fuhr Gaardus fort. „Nicht seit dem Tod der Nynrah. Der Stern war der Grund, weshalb ich so lange nach meiner Flucht in dem Dorf der Nynrah geblieben war. Nun frage ich mich, ob das, worauf ich wartete, dort oben war, und nicht unten inmitten von Land und Wasser.“

Kopaka sah hinauf. Der Stern war nun im Himmel über Spherus Magna und war dort schon seit der Ankunft des Mata-Nui-Roboters auf dem Planeten. Nachdem der Roboter nun zerstört war, würde der rote Stern nicht mehr in Gebrauch gerufen werden. Dennoch hing er inmitten der wahren Sterne und wartete, wartete auf einen Ruf, der nie kommen würde.

„Wenn wir nur dort hinauf gelangen könnten...“, sagte Kopaka, mehr zu sich selbst als zu irgendjemand anderem.

„Die Jagd würde spärlich verlaufen“, sagte Gaardus.

„Nicht bei dem, wonach wir suchen“, sagte Pohatu. „Ist aber auch egal, da keiner von uns für den Raumflug gerüstet ist.“

Gaardus schaute lange Zeit auf den Boden hinab. Dann sagte er sehr leise: „Ich könnte euch hinbringen. Aber ich will nicht dorthin zurückkehren. Niemand will das jemals.“

„Wie dorthin bringen?“, fragte Kopaka.

„Ich wurde gebaut, um ein Jäger zu sein“, sagte Gaardus. „Und ein Jäger kehrt zu Jagdgründen zurück, die reich an Beute sind. Ich kann überallhin zurückkehren, wo ich gewesen bin... sogar zu so einem Ort.“

„Dann bring uns dorthin“, sagte Kopaka.

„Ähm, Kopaka?“, sagte Pohatu. „Könnte ich dich unter vier Augen sprechen?“

Die Toa des Eises und des Steins gingen ein paar Meter von Gaardus weg und sprachen mit leisen Stimmen. „Wollen wir das Fahren wirklich dem geflügelten Wunder dort drüben überlassen? Was, wenn er Toa genauso wenig wie Matoraner leiden kann?“

„Hast du einen besseren Vorschlag? Tren Krom benutzte die letzten Sekunden seines Lebens, um uns von dem Stern zu erzählen... oder uns vor ihm zu warnen. Dort oben ist etwas, das mit seinem Tod zu tun hat. Wir müssen herausfinden, was es ist.“

„In Ordnung“, sagte Pohatu. „Aber das ist nicht das erste Mal, dass ich mich gefragt habe, ob deine Maske vielleicht zu eng für deinen Kopf ist.“

Die beiden Toa wandten sich wieder Gaardus zu. „Wenn du uns dorthin bringen kannst, dann müssen wir gehen“, sagte Kopaka.

„Und schnell, bevor einer von uns es sich anders überlegt, nämlich ich“, fügte Pohatu hinzu.

Falls Gaardus dachte, sie währen beide wahnsinnig geworden, so sah er offenbar keinen Sinn darin, es ihnen zu sagen. Er trat bloß vor zu ihnen, entfaltete seine Flügel und schlang sie dann um die beiden Helden herum. Und in dem Augenblick waren sie alle drei verschwunden.

Pohatu war sich nicht sicher, was er erwarten sollte – er war vorher noch nie in einem „Stern“ gewesen. Als Gaardus seine Flügel öffnete und wegtrat, sah der Toa des Steins sich um. Er befand sich in einem kurvigen Gang. Die Wände schienen eine Mischung aus Metallstreben und organischem Gewebe zu sein, in etwa so wie er sich die Innereien eines Toa vorgestellt hätte. Sich stählend, streckte er die Hand aus und berührte eine der Oberflächen. Sowohl das Metall als auch das Gewebe waren regungslos und eiskalt.

Zumindest befinde ich mich nicht in etwas Lebendigem, dachte er. Davon hab ich so ziemlich genug gehabt.

„Gesellschaft“, sagte Kopaka im Flüsterton.

Kopaka sah den Gang hinab. Drei kleine Wesen, die in lilafarbene und schwarze Rüstung gekleidet waren, bewegten sich auf sie zu. Etwas an ihnen schien vage vertraut, so als hätte Pohatu schon einmal eine Beschreibung von ihnen gehört, aber er konnte sich nicht erinnern, wann. Sobald sie die Toa und ihren geflügelten Begleiter erblickten, schienen sie sehr beunruhigt zu werden.

„Was macht ihr hier?“, fragte eines der Wesen. „Ihr müsst zurückgehen. Ihr solltet inzwischen weg sein.“

„Nein“, sagte ein anderer. „Erinnert ihr euch nicht daran, was das letzte Mal passiert ist? Sie wollten nicht zurückgehen und wir mussten—“

Der dritte unterbrach ihn und deutete auf Gaardus. „Der da ist schon mal hier gewesen. Er war der letzte. Er muss wissen, warum jetzt niemand hingehen kann.“

„Aber schaut sie euch an!“, sagte der erste. „Er muss wieder funktionieren, oder wie könnten sie sonst hier sein?“

Die anderen hielten inne, als gestünden sie ein, dass ihr Freund Recht hatte. Derjenige, der sich an Gaardus erinnert hatte, nickte und sagte: „Nun gut. Aber wenn er nicht funktioniert, müssen wir ihnen dann ein Ende bereiten, so wie den anderen?“

Alle drei kleinen Wesen zogen bösartig aussehende Handwaffen hervor. „Selbstverständlich“, sagte der erste. „Wie sollten wir die Dinge denn sonst wieder in Ordnung bringen?“

Kapitel 4

Unheilvolle Augen starrten zu einem imposanten Bauwerk aus Stein und Mörtel auf. Hier, in der Waldregion von Spherus Magna, waren die Großen Wesen anno dazumal ihren Geschäften nachgegangen. Nun verblieb nur eines in jener Festung, ziemlich wahnsinnig, aber immer noch brillant und nichtsdestotrotz gefährlich.

Für die Absichten des Beobachters spielte er kaum eine Rolle. Nein, was an diesem Gebäude so wichtig war, waren die anderen, die sich gerade darin befanden. Axonn, Brutaka und Toa Helryx, kampferfahrene Krieger; Makuta Miserix, mit aller Macht, die mit jenem Titel einherging; Artakha, Träger der Maske der Schöpfung; Toa Tuyet, die mächtiger war als irgendeinem der anderen bewusst war; und Vezon, der die Gabe besaß, sich so durch Dimensionen fortzubewegen wie andere durch Luft. So viele mächtigen Wesen, alle an einem Fleck... das war ziemlich lecker.

Bis jetzt hatte er Tren Krom und Karzahni getötet... der eine ein Irrer, der andere eine gallertartige Masse heißer Luft. Keiner von beiden erwies sich als große Herausforderung. Die Toa hielten die ganze Sache unter Verschluss, wie sie das oft taten. Obwohl die beiden Helden, welche die Morde untersuchten, Kopaka und Pohatu, jüngst verschwunden waren, war er nicht sonderlich besorgt. Sie würden früher oder später wieder auftauchen. Der Plan erforderte das.

Auf dieselbe Weise war auch der Anblick von Toa Lewa, wie er von naturliebenden Agori weggeschleppt wurde, bestenfalls ein geringfügiges Hindernis. Wenn es sein musste, würde er auf irgendeine indirekte Art und Weise eine Rettungsaktion einleiten, bevor der Toa der Luft in irgendeine wahre Gefahr geraten konnte. Die Toa Mata waren zu wichtig, als dass ihre Leben unnötig geopfert werden dürften. Oh, letztendlich würden sie sterben, aber das würde zu einem Zeitpunkt seiner Wahl sein.

Natürlich würde niemals jemand ihn verdächtigen. Niemand tat das je. Als die Zeit verstrich und ihm die Dinge klar geworden waren, hatte er gewusst, dass seine Zeit kommen würde. Die Mächtigsten mussten einzeln eliminiert werden – immerhin gab es keinen Grund, den großen Plan zu riskieren, nur weil er einen vergessen hatte – und um den Rest konnte man sich kümmern, wie es gerade passte. Er hatte erwartet, dass es eine zeitaufwändige, wenngleich amüsante Übung sein würde, eine Art lebendiges Strategiespiel, in dem nur er die Regeln kannte.

Nun jedoch schien das Schicksal die Umstände geändert zu haben. So viele seiner Ziele, alle am selben Ort, boten die Gelegenheit, seinen Zeitplan zu beschleunigen – eine Gelegenheit, die zu gut war, um sie verstreichen zu lassen. Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon, und die Festung wäre ein einziger Schutthaufen... und das Universum viel besser dran.

Mit einem Lächeln machte sich der biomechanische Mörder ans Werk. Es würde ein guter Tag werden, wenngleich ein lauter.

* * *

Kopaka, Pohatu und Gaardus fanden sich etwas gegenüber, das Energiewaffen zu sein schienen, die sich in den Händen der drei kleinen gepanzerten Wesen befanden. Die beiden Toa hatten immer noch keine Ahnung, ob sie wirklich im roten Stern waren oder wer eigentlich ihre bizarren Feinde waren. Aber sie hatten zu verdächtigen begonnen, dass Gardus eine Menge mehr wusste, als er sagte.

„Der Kurze da drüben hat gesagt, du wärst schon mal hier gewesen“, sagte Pohatu zu ihrem geflügelten Begleiter. „Warum erzählst du uns die Geschichte nicht?“

„Ihr wusstet das“, erwiderte Gaardus. „Ich hab's euch gesagt.“

„Von diesen... was auch immer sie sind... hast du uns nichts erzählt“, sagte Kopaka. „Was hast du noch ausgelassen?“

„Ich habe euch gesagt, dass ich nicht hierher zurückkehren wollte“, sagte Gaardus nur. „Jetzt wisst ihr, wieso.“

„Wir sind die Kestora“, sagte eines der lila-schwarzen Wesen. „Wir sind diejenigen, die diesen Ort am Laufen halten. Aber er läuft nicht mehr, schon seit langer Zeit nicht mehr. Und das ist seine Schuld“, fügte er hinzu und deutete auf Gaardus.

„Ich habe nichts getan!“, zischte Gaardus und entfaltete seine großen Flügel. „Ich bin nicht freiwillig hierhergekommen. Ich bin nicht freiwillig gegangen.“

„Niemand tut das je“, erwiderte der Kestora.

„Könnt ihr die Waffen niederlegen, sodass wir wie zivilisierte Wesen reden können?“, fragte Pohatu.

Als Antwort darauf hoben die drei Kestora ihre Waffen noch höher und begannen an den Abzügen zu ziehen. Binnen eines Augenblicks war Pohatu scheinbar verschwunden. Als er wieder auftauchte, waren die Kestora entwaffnet worden und er hielt alle ihre Waffen.

„Ich sagte – ach, vergesst es, ihr wisst, was ich gesagt habe“, kicherte Pohatu. „Also, was soll all das Gerede von Kommen und Gehen? Was ist das hier, irgendeine Art Transportzentrale?“

„Gewissermaßen“, sagte einer der Kestora.

„Ja, das könnte man sagen“, sagte der zweite.

„Oder auch nicht“, warf der dritte ein. „Wie dem auch sei, ihr drei müsst jetzt gehen. Ihr habt bekommen, weshalb ihr gekommen seid, Zeit zu gehen.“

„Bekommen, weshalb wir--?“, wiederholte Kopaka. „Bei Mata Nui, eines Tages werde ich einen Feind treffen, der auf eine direkte Frage eine direkte Antwort gibt und ich werde so schockiert sein, dass ich--“

„Dass du ausnahmsweise mal lächelst?“, beendete Pohatu. Er wandte sich den drei kleinen Wesen zu. „Jetzt hört mal zu. Wohin sollen wir denn so dringend hin?“

„Zurück zu Mata Nui, natürlich“, sagte einer der Kestora als spräche er mit einem Kind. „Dorthin zurück, wo ihr hingehört.“

„Mata Nui ist inzwischen ein Haufen Schrott in der Bara-Magna-Wüste“, sagte Pohatu. „Ihr Jungs kommt wohl nicht oft raus.“

„Wenn das stimmt, dann können wir sie nicht zurückschicken“, sagte der erste Kestora. „Es gibt nirgendwo mehr, wohin man sie zurückschicken könnte.“

„Nun, sie können nicht hier bleiben“, sagte der zweite entschlossen. „Wir haben jetzt schon zu viele.“

„Wir könnten sie behalten“, schlug der dritte vor. „Vielleicht würde uns eine Sezierung verraten, warum sie nicht mehr zurück können. Natürlich haben wir das schon zuvor probiert und alles, was wir dabei bekamen, war eine Sauerei... einige Sauereien, um genau zu sein... aber diesmal vielleicht--“

Kopaka schnitt eine Grimasse, hob seine Toa-Waffe und entfesselte einen Eisstrahl. Er ließ alle drei Kestora in Eis erstarren.

„Wozu hast du das getan?“, fragte Pohatu. „Wir hätten vielleicht etwas erfahren und du hast sie getötet!“

„Nicht tot“, sagte Kopaka, der sich bereits abwandte und weglief. „Nur eingefroren. Sie werden auftauen... irgendwann. Ich habe genug von Kauderwelsch quasselnden Bösewichten. Schauen wir uns mal um.“

Pohatu wandte sich zu Gaardus um, um zu fragen, ob er je so etwas gesehen hatte, aber das geflügelte Wesen war verschwunden. Der Toa des Steins ging los, um Kopaka diese Nachricht zu überbringen. Sie brauchten Gaardus, falls sie es je zurück zu Spherus Magna schaffen wollten.

Die gefrorenen Augen der Kestora schauten ihm nach, als er fortging.

* * *

Zurück auf Spherus Magna war eine komplizierte und heikle Arbeit erledigt worden. Auf das richtige Signal hin würden die Festung der Großen Wesen und deren Bewohner nur noch eine Menge Asche sein.

Ihr Möchtegern-Mörder betrachtete sein Werk und befand es für gut. Er setzte sich auf den Boden und hob einen Stein auf. Vor sich hin summend begann er, ihn zu einem Gedenkstein für diejenigen zu meißeln, die bald sterben würden.

* * *

Kopaka war nicht erfreut, von Gaardus' Verschwinden zu erfahren, er war aber auch nicht überrascht darüber. Höchstwahrscheinlich war der Teleportierer jetzt endgültig verschwunden, zumindest, wenn er halbwegs vernünftig war.

„Wir sollten besser hoffen, dass die Kestora Unrecht hatten und es einen Weg hier raus gibt“, sagte der Toa des Eises. „Ansonsten...“

„Ansonsten werden wir der Gesellschaft des jeweils anderen schon ziemlich bald müde werden“, stimmte Pohatu zu. „Willst du, dass ich vorauskundschafte?“

„Nein, ich--“, begann Kopaka, gerade als Pohatu plötzlich verschwand und dann wieder auftauchte.

„Zu spät“, sagte Pohatu. „Hab es schon getan. Nicht viel zu sehen. Haufenweise Labore. Einige alte Maschinen, die so aussehen, als wären sie schon mehrere hunderte Male notdürftig zusammengeflickt worden. Und ich glaube, ich hätte jemandes Bewegung aufgeschnappt, kann das aber nicht mit Sicherheit sagen.“

„Noch mehr Kestora?“

„Vielleicht. Ungefähr genauso groß.“

„Gehen wir sie suchen.“

Die beiden Toa waren ungefähr hundert Meter gegangen, als die Lichter plötzlich ausgingen. Nun konnten sie überall um sich herum Bewegungen hören. Es gab auch Geflüster, aber sie konnten die Worte nicht ausmachen. Kopaka aktivierte seine Akaku Nuva, um die Wände um ihn herum mit Röntgenblick zu durchdringen. In eine Richtung war nichts zu sehen als das offene Weltall. In der anderen sah er Dinge – eine Menge Dinge – ohne deren Anblick er auch gut gelebt hätte. Als er sprach, war seine Stimme barsch.

„Wir müssen los“, sagte Kopaka. „Sofort.“

„Was ist los?“

„Das willst du nicht wissen. Nimm mich bei der Hand. Wir finden einen Weg hier raus.“

Die Geräusche kamen nun näher. Manche klangen wie umherhuschende Nagetiere, andere wie Körper, die über einen Metallboden geschleppt wurden. An einer Stelle sahen sie weiter vorne einen beleuchteten Korridor, aber als sie näherkamen, gingen die Lichter dort auch aus. Schlimmer noch, die Geräusche kamen auf einmal sowohl von vorne als auch von hinten.

„Ich denke, wir sind umzingelt“, sagte Kopaka.

„Wir sind nie umzingelt“, antwortete Pohatu. „Wir ziehen es einfach nur vor, immer mittendrin zu sein, wenn etwas los ist.“

Ein Streifen Licht öffnete sich rechts. Er offenbarte eine kleine Gestalt, die den beiden Toa zuwinkte. „Hierher, hier entlang.“

Kopaka benutzte die Akaku und sah, dass sich in dem Raum dahinter keine weiteren Gestalten befanden. Wenn es eine Falle war, dann vermutlich keine sonderlich gute. Die beiden Toa gingen auf die Türe zu und glitten hinein. Die Gestalt schloss sie hinter ihnen.

„Da draußen ist es nicht sicher“, sagte ihr Retter. „Aber das habt ihr vermutlich schon herausgefunden. Eine Menge sehr unglücklicher Leute hier oben, wisst ihr.“

Die beiden Toa sahen zu ihrer Überraschung, dass ihr „Gastgeber“ kein Kestora war, sondern ein Matoraner. Ein Onu-Matoraner, um genau zu sein, aber keiner, den die beiden wiedererkannten.

„Wer bist du?“, fragte Pohatu. „Was machst du hier?“

„Was die zweite Frage betrifft, so vermute ich mal, dasselbe, was ihr hier tut“, sagte der Matoraner. „Was meine Identität betrifft – mein Name ist Mavrah.“

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