Sahmads Geschichte

aus dem Chronist-Wiki, der deutschen BIONICLE-Enzyklopädie
Version vom 25. Januar 2011, 19:38 Uhr von de>Nuhrii the Metruan (Textersetzung - „{{StoryNav|Webserien}}“ durch „{{StoryNav}}Kategorie:Webserien“)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Sahmads Geschichte.jpg

Sahmads Geschichte (engl. Sahmad's Tale) ist eine Kurz-Webserie, die im Januar 2010 begann. Übersetzt wurde sie von Nuhrii the Metruan für den Exklusivbereich von chronistmagazin.de.

Kapitel 1

Mein Name ist Sahmad. Vielleicht habt ihr den Namen schon an heimischen Feuern der Agori gehört, oder von Glatorianern, die ihn flüsterten, während sie Wache stehen. Es ist ein Name, der mit Respekt gesprochen wird, und mit Furcht, und das ist auch recht so. Die Geschichte wird dir sagen, dass ich ein Monster bin, ein Sklaventreiber, jemand, der sich seinen Lebensunterhalt verdient, indem er seine Mit-Agori einfängt und sie an die Skrall verkauft. Ich wäre ein Narr, zu lügen und so zu tun, als hätte ich diese Dinge nicht getan; natürlich habe ich sie getan. Aber das ist nicht die ganze Geschichte, und was historische Geschichte angeht, so müsst ihr euch eine Sache immer vergegenwärtigen: die Sieger schreiben alle Bücher.

Ich bin ein Mitglied des Eisenstamms, was man wohl von der Farbe meiner Rüstung her nicht meinen sollte, aber das ist Absicht. Zur Schau zu tragen, dass du ein Teil jenes Stammes warst, war (und ist vermutlich immer noch) eine Einladung dazu, geächtet und schikaniert oder gar gesteinigt zu werden. Wir sind in den netten kleinen Dörfern der anderen Agori nicht willkommen, nicht gut genug, um an ihren Speisen und Getränken Anteil zu haben, oder rein genug, um mit uns Handel zu treiben. Wir sind Kreaturen für mitternächtliche Geschichten, die man neuen Wachen erzählt: "Sei besser auf der Hut oder irgendein Eisen-Agori wird dich holen kommen."

Natürlich war es nicht immer so. Vor langer, langer Zeit, lange vor dem Kernkrieg oder dem Zerbrechen, lebte mein Stamm in den Bergen von Bota Magna und arbeitete in den Minen. Wir schickten das Eisen, das wir aus den Felsen ausgruben, zu den Schmieden des Feuerstamms, und im Gegenzug belieferte man uns mit fertigen Werkzeugen und Waffen. Wir waren rau und ungehobelt, aber man ehrte uns für unsere harte Arbeit und behandelte uns wie jeden anderen Agori. Mitglieder des Eisenstamms lebten ein Leben voller harter, ehrlicher Arbeit und verlangten nicht nach mehr. Außer ein paar Streitigkeiten mit unseren Nachbarn in den bergen, den Skrall, hatten wir mit niemandem Konflikte.

Als das Ende kam, kam es rasch und leise, wie ein Dolch, den man in den Rücken gestoßen bekommt. Ein paar Bergleute, die in den Randgebieten unseres Landes arbeiteten, begannen, sich seltsam zu verwhalten. Sie waren abgelenkt, streitlustig und ihnen ging es von Tag zu Tag schlechter. Die Frage, ob sie sich krank fühlten, verneinten sie. Die einzige seltsame Sache, die sie zu berichten wussten, war, dass ihr Schlaf gestört worden war, da sie zu träumen aufgehört hatten. Die meisten von uns lachten. Immerhin zählte nur die Stärke unserer Rücken, während wir Metall aus dem Fels meißelten und es an die Oberfläche schleppten. Was machte es schon, wenn unser Schlaf einfach nur das war: Schlaf, ungeschädigt von fantasievollen Illusionen. Und wenn man nicht träumen konnte, dann musste man sich auch um Alpträume keine Gedanken machen, richtig? Falsch. Wenn man nich träumen kann, dann wird das Wachsein zum Alptraum.

Die betroffenen Bergleute brauchten nur kurze Zeit, um von gereizt zu gewalttätig überzugehen, und von gewalttätig zu wahnsinnig. Träume, so scheint es, sind nötig, um die schlechten Energien freizulassen, die sich in uns allen aufbauen. Ohne sie zerreißt sich der Verstand im Laufe der Zeit selbst zu Fetzen. Schlimmer noch, das, was wir nun als eine Seuche ansahen, verbreitete sich. Immer mehr von meinem Stamm verloren die Fähigkeit, zu träumen. Diejenigen, deren Zustand weit genug fortgeschritten war, starben als übergeschnappte Irren. Diejenigen, die erst jüngst infiziert wurden, wurden von Schrecken und Verzweiflung gepackt, da sie das Schicksal kannten, das sie erwartete.

Manche von uns schienen immun zu sein: ich selbst, Telluris, eine Handvoll anderer. Natürlich waren unsere Nachbarn neugierig, warum wir noch träumen konnten. Keiner von uns kannte die Antwort. Das hinderte andere in unserem Stamm nicht daran, über den Versuch zu reden, es herauszufinden, selbst wenn ihre Bemühungen unseren Tod bedeuten würden. Wir schlossen uns zusammen und versteckten uns in einer Höhle, bereit, uns selbst gegen wahnsinnige Agori zu verteidigen, die einst unsere Freunde gewesen waren.

Als die Lage sich verschlechterte, bat unser Dorfanführer andere Stämnme um Hilfe. Die Skrall lachten nur. Die anderen Stämme wollten ihn nicht mal die Grenzen in ihre Länder überschreiten lassen. Niemand wollte das kleine Bisschen Eisen, das wir noch zu Tage förderten, da sie glaubten, es würde irgendwie die Krankheit in sich tragen. Der gesamte Handel kam zum Erliegen.

Als einer der noch gesunden Agori versuchte, sich einem anderen Stamm anzuschließen, wurde er in den Wald davongejagt und von einer der dort lebenden Bestien getötet. Soweit es uns betraf, könnten ihn genauso gut die Agori, die ihn zurückwiesen, umbgebracht haben. Ein Mitglied des Eisenstamms zu sein brachte nun ein Todesurteil mit sich. Wenn dich nicht die Seuche abmurkste, dann würden es deine einstigen Handelspartner tun.

Telluris brachte die Idee vor, Mineralien zu benutzen, um die Farbe unserer Rüstungen und Helme zu ändern, in der Hoffnung, dass wir als Mitglieder eines zuvor unbekannten Stammes durchgehen und Zuflucht finden würden. Es war eine dämliche Idee, aber ich ließ mich darauf ein. Ich muss euch wohl nicht sagen, wie gut das klappte.

Dennoch, wir überlebten. Wir sahen zu, wie unser Stamm einer nach dem anderen ausstarb, bis zu wenige noch in irgendeiner Verfassung waren, um uns zu bedrohen. Wir ergriffen die Flucht, aber wir konnten nirgendwo hin. Dazu kam noch, dass sich keiner von uns sicher war, ob einer der anderen ein Träger der Seuche war, und jetzt ist euch wohl klar, warum wir uns entschieden, getrennte Wege zu gehen.

Ich ging nach Süden, unwissend, dass Telluris dasselbe tat. Ich lebte von dem, was ich schnorren oder stehlen konnte. Ich sah, wie der Kernkrieg ausbrach, und ich sah, wie Agori von Waffen getötet wurden, die aus dem Eisen gemacht waren, das mein Volk geschürft hatte, und ich lachte. Als die Zersplitterung sich ereignete, war ich in Bara Magna. Ich hatte einen Wagen gefunden und die Loyalität eines Spikit auf die einzige mögliche Art und Weise gewonnen - ich habe es gefüttert. Ich wusste nicht, was die Zukunft für mich in petto hatte, aber ich hatte ein Fortbewegungsmittel und ich hatte Hass. Ich würde einen Weg finden, die beiden zu verkuppeln und meine Rache zu erlangen.

Telluris beschritt einen anderen Pfad. Er begann, die Wüste in einer Kriegsmaschine auszurauben, die auf dem Skopio basierte, und tat so, als würde die Zerstörung des einen oder anderen Konvois irgendwie einen Unterschied bewirken.

Ich schmiedete andere Pläne. Ich würde die Agori der Stämme zu Handelsware machen. Ich würde sie an die Skrall verkaufen und sie wünschen lassen, sie wären gemeinsam mit meinen Freunden während der Seuche gestorben.

In den jüngeren Tagen hat sich viel verändert. Die Skrall sind aus Roxtus vertrieben worden, zwei Männer aus Metall kämpfen aus mir unerfindlichen Gründen am Himmel gegeneinander. Ich habe keinen Zweifel daran, dass uns das Ende der Welt bevorsteht, aber bevor das geschieht, habe ich eine Aufgabe, die ich ausführen will. Irgendwo weiß irgendwer, was mit meinem Volk passiert ist. Sie wissen, ob die Seuche Unglück oder Angriff war, Fehler oder Experiment. Bevor Bara Magna zu Staub zerfällt, werde ich diese Antworten finden. Und wenn jemand dafür gesorgt hat, dass mein Stamm von diesem Schicksal ereilt wird, dann hoffe ich, dass sie irgendwo von mir träumen und kreischend erwachen.

Kapitel 2

Ich schlafe gerne. Ich schlafe gerne, weil ich gerne träume. Das Träumen erinnert mich daran, dass ich noch am Leben bin.

Letzte Nacht träumte ich, dass ich wieder im Eisendorf war und in der Kälte und dem Dunst der Minen arbeitete. Die Luft war mit dem rhythmischen Tsching-Tsching von Spitzhacken erfüllt, die gegen Stein schlugen. Spherus Magna war großzügig an jenem Tag und wir kamen mit Ladungen von Eisen aus dem Dunkeln heraus. Ich stand auf einem Gipfel und sah die Fels-Agori in der Ferne wie Spinnenkäfer hin und her rennen. Dann hielten sie an und wandten sich wie ein Mann um, um unser Dorf anzustarren. Ich drehte mich um, um zu sehen, was sie denn da anschauten, und da sah ich den ersten Eisen-Agori verschwinden. Im einen Moment entlud er den Erzwagen, im nächsten war er weg. In den nächsten paar Augenblicken verschwanden weitere und dann noch mehr. Ich wusste, dass etwas Schreckliches geschah. Ich musste es aufhalten.

Ich rannte durch das Dorf, auf der Suche nach der Frau, die ich liebte. Als ich sie fand, nahm ich sie in meine Arme und hielt sie fest, und einen Augenblick später hielten meine Arme nur leere Luft.

Hilfe. Wir brauchten Hilfe. Ich eilte den Berg hinab zu den Fels-Agori. Ich rief ihnen zu, dass sie uns helfen sollten, aber keiner schenkte mir irgendwelche Aufmerksamkeit. Ich schrie, ich flehte, alles vergebens. Ich holte aus, um einen der Dorfbewohner zu schlagen, nur um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Und dann schaute ich hinab und sah nichts. Ich war verschwunden.

Ich wachte verschwitzt auf. Ich hatte nicht weit vom Skrall-Fluss gelagert. Ich nahm meine Rüstung ab und kniete am Ufer, in dem Versuch, meinen Alptraum wegzuwaschen. In dem Mondlicht konnte ich etwas Massives in der Ferne sehen. Als ich genauer hinsah, sah ich, dass es das Skopio-Fahrzeug war, das Telluris gebaut hatte, welches nun auf dem Sand hingestreckt dalag wie die Leiche eines toten Tieres. Der Besitzer selbst kniete daneben. Ich spannte das Spikit vor meinen Wagen und ritt zu Telluris. Er schien zu trauern.

"Was ist passiert?", fragte ich.

"Sie haben ihn ruiniert", antwortete mein Stammeskamerad. "Die Glatorianer, sie haben ihn sabotiert. Er wird nicht mehr funktionieren."

Ich hielt den Skopio immer schon für eine angeberische Verschwendung von Zeit und Materialien. Egal wie groß deine Waffe ist, jemand anders kann immer eine größere bauen. Man bezwingt seine Feinde nicht mit etwas, das sie aus zehn Meilen Entfernung sehen kommen können. Man tut es, indem man sich hineinarbeitet wie die Larve eines Stachelwurms, indem man sich zu einem Teil ihrer Gesellschaft macht, und sie dann von innen heraus auslöscht. Der Skopio war Telluris' Krücke, sein Mittel, der Welt einen bewaffneten und gepanzerten Wutanfall entgegenzuschleudern.

"Du kannst ihn nicht reparieren?", fragte ich.

Er schüttelte seinen Kopf. "Dazu habe ich nicht die Teile."

Ich schaute ihn an. In ein paar Tagen käme er vielleicht auf die Idee, aufzuhören, seine Maschine zu vermissen, und aus der Sonne rauszugehen. Dann wäre er in keiner Verfassung mehr, um irgendjemandem von Nutzen zu sein. Aber so labil er auch war, er war immer noch vom Eisenstamm, einer der wenigen, die noch übrig waren, also schuldete ich ihm was.

"Vielleicht können wir finden, was du brauchst", bot ich an. "Ich bin nach Norden unterwegs. Komm mit mir."

Telluris sah zu mir hinauf, dann deutete er auf den toten Skopio. "Ich kann ihn nicht einfach verlassen."

"Er wird nirgendwo hingehen", antwortete ich. "Und wenn wir zurückkommen, werden wir ihn wieder aufbauen, größer und besser als zuvor."

Telluris stand auf und kletterte in den Wagen. Ich riss an den Zügeln und das Spikit begann, gen Norden zu marschieren. Ich war mir nicht ganz sicher, wo wir hingingen, aber ich hatte eine Idee. Wenn der Tod meiner Stammesleute kein Unfall war, dann war er Mord. Und wenn er Mord war, dann musste er jemandem nutzen. Wer auch immer dieser Jemand war, ich hatte vor, ihn für jeden toten Eisen-Agori bezahlen zu lassen. Ich konnte nicht zum Tatort zurückkehren, weil Bota Magna vor hunderttausend Jahren abgebrochen war und nicht zurückkommen würde. Ich konnte lediglich nach Norden gehen und hoffen, dass ich etwas erfuhr, vorzugsweise bevor die beiden Roboter, die sich da oben verprügelten, vernichteten, was von Bara Magna übrig war.

Wir waren ein paar Stunden lang gereist, als das Spikit sich plötzlich aufbäumte und seine beiden Köpfe vor Panik hochwarf. Telluris sprang vom Wagen. Er deutete auf etwas und rief, aber ich hatte es bereits selbst gesehen. Eine lange, graue Schlange lag aufgerollt im Sand vor ihnen, eine Schlange mit blauen Augen, und in jenen Augen war Wahnsinn zu sehen.

"Töte sie!", sagte ich zu Telluris.

Mein Stammeskamerad schnappte sich eine Klinge vom Wagen und ging vorsichtig auf die Schlange zu. Es war irgendeine Art Viper, extrem giftig, und lebendig war sie nutzlos. Tot würde sie zumindest ein Abendessen abgeben. Telluris hob die Waffe und wollte sie gerade herabsausen lassen, als die Schlange sich aufbäumte, als würde sie zuschlagen wollen, aber anstatt anzugreifen, sprach sie.

"Mach schon", sagte sie. "Tötet mich. Ich kann das nicht mehr aushalten."

Telluris sah mich an, um sich zu vergewissern, dass er nicht verrückt geworden war. Ich nickte, um ihn wissen zu lassen, dass ich es auch hörte. Ich erinnerte mich an irgendeine wilde Geschichte von ein paar Fels-Agori. Sie flohen aus Roxtus, nachdem sie eine Schlacht gegen die anderen Dörfer verloren hatten, und behaupteten, ein Eis-Agori namens Metus wäre in eine Schlange verwandelt worden. Klang für mich so, als hätten sie zu viele verrotteten Thornax gegessen, aber jetzt... Nun, es gab jede Menge verrückter Dinge in der Bara-Magna-Wüste, aber sprechende Schlangen gehören nicht dazu.

"Du bist... Metus?", fragte ich die Schlange.

Sie zischte zur Antwort.

"Sie sagten, du hättest Rache geschworen für das, was dir widerfahren ist", sagte ich. "Hast du das etwa aufgegeben?"

"Ich will immer noch Rache", entgegnete Metus. "In dieses Monster verwandelt zu werden würde mich nicht aufhalten, in ein Insekt verwandelt zu werden würde mich nicht aufhalten. Ich würde immer noch einen Weg finden, irgendwie, wäre da nicht..."

Ich wartete. Als er nicht fortfuhr, sagte ich: "Außer was?"

Die Schlange schlängelte sich durch den Sand und schaute mit einem flehenden Blick in ihren eisblauen Augen zu mir auf. "Ich habe aufgehört, zu träumen", flüsterte sie.

Plötzlich schien die Wüste sehr leise und ruhig zu werden, und alles, was ich hören konnte, war meine eigene Stimme, die sagte: "Es hat wieder angefangen."

Kapitel 3

Ich stand auf dem Wüstensand und hatte ein Gespräch mit einer sprechenden Schlange. Traurigerweise war dies der einzige Lichtblick der Vernunft an meinem Tag. Und mitten während wir uns austauschten endete die Welt. Zumindest kam es mir so vor.

Zuerst fiel ein Schatten über uns; Telluris begann davon zu quasseln, dass der Mond vom Himmel fiel; Metrus vergrub seinen Kopf unter dem Sand. Ich sah auf, um einen massiven Himmelskörper oben vorbeiziehen zu sehen, von dem ein Bruchstück in den Kopf eines der beiden Riesenroboter einschlug. Der Roboter fiel und der Aufprall riss mich von meinen Füßen. Ich unternahm keinerlei Anstrengung, aufzustehen. Wenn die Welt sich ihrem Ende zuneigte, konnte ich diesem genauso gut auch liegend begegnen. Der zweite Aufprall war überraschenderweise nicht so heftig.

Nach ein paar Augenblicken, als keine Roboter mehr fielen oder Monde über den Himmel flogen, hob ich meinen Kopf. Telluris sagte, dass Spherus Magna wieder ganz war. Er schien aufgeregt darüber zu sein. Ich feierte nicht mit ihm. Ihr mögt euch wundern, warum ich nicht überglücklich war, dass die drei Segmente meines Planeten wieder vereint waren. Wie jeder, der auf Bara Magna gewesen ist, euch sagen kann, ist es in der Wüste sehr kalt. Vor über hunderttausend Jahren wurde ich sehr kalt und nun konnte ich nur noch eines denken: falls die Wesen, die die Traumpest auf mein Volk losgelassen hatten, auf Bota Magna waren, so waren sie nun wieder in meiner Reichweite.

Ich stand auf und klopfte den Sand von meiner Rüstung. Es war Zeit zu gehen. "Los, gehen wir", sagte ich zu meinen beiden Verbündeten.

Telluris hörte nicht zu. Er war immer noch von der wunderhaften Rückkehr von Aqua Magna und Bota Magna gefesselt, aber deshalb habe ich ja die Peitsche.

"Ihr wisst, was als nächstes passiert", sagte ich zu meinen beiden Begleitern. "Nachdem die Feierlichkeiten vorbei sind, werden die Agori damit anfangen wollen, die Sauerei aufzuputzen. Jeder, der nicht in ihre gut geordnete kleine Gesellschaftsstruktur passt, wird entweder beiseite gestoßen oder niedergetrampelt werden. Keines von beidem werde ich mit mir machen lassen."

Metus sah aus, als wäre er sich nicht sicher, was er tun sollte. Er hatte vor kurzer Zeit aufgehört zu träumen. Die Krankheit hatte ihn. Binnen Wochen, vielleicht Tagen, würde er ein völliger Irrer sein, aber vorher brauchte ich ihn. Als er begann, dorthin zu schlängeln, wo die Agori und Glatorianer standen, trat ich mit einem gepanzerten Fuß auf seinen Körper und drückte ihn in den Sand.

"Überleg es dir", sagte ich. "Ich habe alles über dich gehört. Denkst du, die werden dich wieder freudig aufnehmen? Du bist für sie bestenfalls eine Peinlichkeit. Letztes Mal ließen sie dich mit deinem Leben davonkommen. Lass dich noch einmal blicken und sie werden ein Paar Stiefel aus dir machen."

"Was willst du von mir?", fragte mich die Schlange, die einst ein Agori gewesen war.

"Ich will wissen, wo du überall gewesen bist, seit du Roxtus verlassen hast, und alles, was du getan hast. Ich will jeden Zentimeter zurückverfolgen, den du gekrochen bist. Irgendwo auf diesem Weg liegt ein Hinweis darauf, was dir und meinem Volk zugestoßen ist, und wir werden ihn finden."

Direkt nach der Schlacht in Roxtus war Metus nach Norden in die Berge aufgebrochen. Manche jener Berge waren nun weg, da sie von der Schlacht zwischen den beiden Robotern zu Schutt reduziert worden waren. Aber er sagte, dass seine Träume erst aufgehört hatten, nachdem er sie hinter sich gelassen hatte, also lag was auch immer ich suchte vielleicht jenseits von ihnen.

Er zeigte uns, wo er gelagert hatte, nahe eines Beckens. Hatte er daraus getrunken? Nein. Was hatte er gegessen?

"Nager", sagte er.

"Haben sie auf irgendeine Weise eigenartig geschmeckt?", fragte ich.

"Es waren Ratten!", entfuhr es Metus. "Natürlich haben sie eigenartig geschmeckt!"

"Es muss etwas hier sein", sagte ich und sah mich hier um, "etwas, das dich infiziert hat."

"Vielleicht ist es nichts körperliches", sagte Telluris. "Vielleicht ist es ein... Fluch oder etwas in der Art. Ganz gleich was, keiner aus unserem Stamm wäre so weit vom Dorf weggereist, wie also kann diese Stelle der Grund sein?"

"Vielleicht war was auch immer die Pest verursachte weitergezogen, nachdem sein Werk vollendet war", antwortete ich. "Oder vielleicht..."

Ich hielt inne. Ich hatte etwas nicht weit entfernt entdeckt, das größtenteils unter Pflanzenwuchs bedeckt war. Es war eine Narbe in der Erde, die grob wie ein Dreieck geformt war, dessen Grundseite vielleicht knapp einen Meter breit war. Ich beugte mich hinab, um nachzusehen, ob es ein Loch gab, aber es war keines zu sehen, nur ein Muster, das in Erde und Fels geritzt war.

"Seht euch um", sagte ich den anderen. "Schaut, ob ihr noch so ein Zeichen wie dieses finden könnt."

Wir suchten eine Stunde lang. Es gab keine Spur irgendeines anderen Dreiecks auf dem Boden, noch irgendein Anzeichen davon, wer oder was dieses gemacht haben mochte. War es ein Fußabdruck? Die Spur, die von einem mechanischen Gerät hinterlassen wurde? Oder irgendein Naturphänomen, das mir vorher einfach noch nicht begegnet war?

Ich drehte mich um, um Telluris' Meinung zu erfragen, da er viel auf seinen Reisen im Skopio gesehen hatte, aber er war weg. Metus beharrte, dass er nicht gesehen hatte, wohin er gegangen war.

Ich folgte den Fußabdrücken meines Stammesgefährten in der weichen Erde, bis sie mitten in einem offenen Fleck Boden aufhörten. Die Erde hier war aufgewühlt worden, als hätte irgendetwas sie leergefegt.

Ich hörte ein leises Geräusch hinter mir. Ich wandte mich um und sah, wie ein kränklich roten, stacheliger Tentakel sich aus dem Erdboden hervorwand. Bevor ich sprechen konnte, schlang er sich um Metus und zog ihn hinab in den Boden. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder schreien sollte, als ein zweiter Tentakel kurz auftauchte, um die Erde wieder zu einem normalen Muster zurückzustreichen, bevor auch er unter der Erde verschwand.

Ich zielte mit meinem Thornax-Werfer auf die Stelle und feuerte. Er pustete ein Loch in den Boden und schickte einen Regenguss aus Erde und Stein in die Luft. Als der Staub sich gelegt hatte, sah ich keine Spur meiner beiden Verbündeten oder ihres Angreifers. Was auch immer sie genommen hatte war weg.

Ich war zornentbrannt, frustriert; auf Schritt und Tritt wurde ich behindert. Gerade als ich den ersten Hauch einer Antwort gefunden hatte, schnappte man ihn mir weg. Jeden Moment konnten die Tentakel zurückkehren. Ich hatte keine Möglichkeit, Telluris oder Metus zu erreichen, und keine Hoffnung auf Überleben, wenn ich blieb. Aber wenn ich ging... wenn ich ging, würde ich vielleicht nie das Rätsel lösen, das mich plagte. Mein Volk würde nicht gerächt werden.

Ich stand an exakt derselben Stelle, an der Metus verschwunden war. "Komm schon!", rief ich. "Greif an! Zieh mich hinab! Aber bevor ich sterbe, Kreatur, werde ich die Wahrheit wissen."

Ich stand immer noch dort, als drei Tentakel blind aus der Erde umhergriffen und sich um mich schlangen. Ich hatte nicht mal mehr Zeit, zu schreien, als der Himmel über mir von Erde und Ton ersetzt wurde, während ich dem Reich des Lichts entrissen und in eine Welt der Schatten hinabgestoßen wurde.

Kapitel 4

Ich war tot. Drei groteske Tentakel waren aus dem Boden hervorgebrochen, hatten sich um mich geschlungen und mit hinab in meinen Tod gezogen. Das war die einzige Erklärung, denn wenn ich nicht tot war, dann war ich wahnsinnig, und Auslöschung wäre mir weitaus lieber als Wahnsinn.

Wenn ihr diese Chronik bis jetzt verfolgt habt, wisst ihr, dass ich, Telluris, und ein intelligenter, zur Schlange verwandelter Agori namens Metus nach der Ursache der Traumseuche gesucht haben, die den Eisenstamm vor Ewigkeiten ausgelöscht hatte. Unsere Untersuchung war nicht gut verlaufen, bedenkt man, dass wir offensichtlich zur Mahlzeit eines Monsters wurden. Aber die Welt jenseits des Todes war ganz und gar nicht das, was ich erwartete.

Ich lag auf einem Feldbett in einem großen Raum. Es gab vielleicht drei Dutzend weitere Feldbetten, von denen die Hälfte mit verwundeten oder kranken Agori gefüllt war. Hin und wieder lief ein Wasser-Agori vorbei, der meinen Gefährten Essen und Getränke brachte. Als sie bemerkte, dass meine Augen offen waren, ließ sie ihr Tablett fallen und eilte herüber.

"Sahmad, du bist wach!", sagte sie lächelnd.

Agori lächeln mich nicht an. Feixen, ja. Fluchen, gewiss. Gelegentlich spucken sie auch. Aber lächeln - niemals.

Daher mein Glaube, dass ich, wenn ich nicht tot war, in irgendeiner Art von Anstalt war.

Ich versuchte, mich aufzusetzen. Mein Körper verweigerte die Kooperation.

"Wo bin ich?", fragte ich.

"Die Heilerkammer", antwortete sie. "Wir dachten, du würdest nie aufwachen."

"Lass mich meine Frage neu formulieren", sagte ich. "Wo bin ich?"

"Wo?" In ihren Augen dämmerte ein Licht. "Oh, das kannst du natürlich nicht wissen. Das hier ist die Stadt Neu-Atero auf Bota Magna. Du wurdest im Norden Bara Magnas gefunden und sie kümmerten sich da unten so gut um dich, wie sie konnten, bis die Dinge hier bereit waren.

Ja, sie war wahnsinnig. Es gab kein Neu-Atero, ganz gewiss nicht auf Bota Magna. Und wenn sie mich fanden, dann hätten sie auch meine beiden Begleiter gefunden, aber ich sah keinen von beiden hier.

"Telluris, Metus, sie reisten mit mir. Wo sind sie?"

Meine geistig verwirrte neue Freundin schaute unbehaglich drein. "Wir haben Telluris nie gefunden. Metus überlebte ein paar Monate lang, sie benutzten sogar die Maske, um ihn zu einem Agori zurückzuverwandeln, aber es half nicht. Es tut mir leid."

"Ich bin überrascht, dass ihr euch die Mühe gemacht habt", sagte ich. "Wir drei waren bei der Mehrheit der Agori nicht unbedingt beliebt."

"Das war vor langer Zeit."

Ich erkannte diese Stimme. Sie war ein wenig älter, ein wenig härter, aber sie gehörte Kiina, der Wasser-Glatorianerin. Und da war sie leibhaftig, ihre Rüstung etwas kampfeszernarbter und ihr linker Arm nutzlos an ihrer Seite hängend.

"Wirklich?", sagte ich. "Ich hätte nicht gedacht, dass es ein Verfallsdatum für Hass gibt."

"Eine Menge Dinge haben sich seit dem Fall der Skrall verändert", antwortete Kiina. "Du hast alles verpasst. Du hast 750 Jahre lang geschlafen, Sahmad."

Da gab es einen Moment, nur einen Moment, wohlgemerkt, in dem ich mich verunsichert fühlte. Ich meine, es hätte wahr sein können. Das Monster hätte uns durchkauen und ausspucken können. Jemand mochte Metus und mich gefunden und am Leben erhalten haben. Alle Agori und Glatorianer mochten vielleicht als Brüder und Schwestern in einer wunderschönen neuen Stadt leben, bereit, selbst Überlebende des Eisenstamms mit offenen Armen zu empfangen.

Und Thornax-Früchte könnten wie gesiedetes Skopio-Fleisch schmecken und die Großen Wesen mochten vielleicht Geschenkkörbe voller Implantate verteilen, aber ich war auch nicht bereit, das zu glauben.

Ich stemmte mich auf und ging von dem Feldbett herunter, wobei ich die Proteste meines Körpers ignorierte. Die Agori gab mir einen Stab, den ich benutzen konnte, um mich selbst abzustützen. Sie wollte mir ausreden, die Kammer zu verlassen. Ich sagte ihr, dass ich ein paar Orte aufsuchen musste.

Die Stadt draußen war so geschäftig wie ein Dünenspinnennest. Agori und Glatorianer rannten hin und her und interagierten mit anderen Wesen, großen und kleinen. Die Fremden schienen irgendwie maschinenartiger zu sein. Gleichzeitig waren ihre Bewegungen aber zu flüssig und anmutig, um rein mechanisch zu sein.

Mein erster Gedanke war, dass sie gute Sklaven abgeben würden. Ich schätze, alte Gewohnheiten sterben langsam.

Es sah, klang und fühlte sich alles echt an, aber ich wusste, dass es das nicht war. Wenn ich mir vorher nicht sicher gewesen wäre, dann hatte Kiinas Auftritt es besiegelt. Mir egal, wie viel Zeit verstrichen war. Sie würde nie an meinem Bettrand auftauchen, außer, um mich zu erstechen. Und 750 Jahre waren nicht genug, um über 100 Jahrtausende des Argwohns, der Furcht und des Abscheus auszulöschen. Jemand wollte mich glauben machen, dass dies eine brandneue Welt war. Aber in meinem Herzen wusste ich, dass es dieselbe alte Welt war. Sogar noch schlimmer. Vorher hatte es jemanden gegeben, den man bekämpfen konnte. Gegen wen sollte man kämpfen, wenn der Feind entschlossen war, im Verborgenen zu bleiben?

Während ich mich umsah, wie alle für das Gemeinwohl an einem Strang zogen, dachte ich immerfort: Wessen Traum ist das? Es war gewiss nicht meiner. Meine Leute waren tot. Sie konnten all diesen Frieden und das gute Gefühl nicht genießen, und wenn sie nicht davon profitieren konnten, dann wollte ich das auch nicht. Ich hätte Neu-Atero gerne den Weg des alten Atero gehen sehen.

Ich überlegte mir gerade Wege, wie ich das herbeiführen konnte, als ich ein Aufblitzen vertrauter Rüstung sah. Das Metall trug die heutigen Farben des Eisenstamms, nach der Seuche. In Ordnung, ich gestehe, nun war mein Interesse geweckt. War dies vielleicht irgendein Überlebender, dessen Weg ihn oder sie in die Stadt geführt hatte, wo er oder sie Akzeptanz gefunden hatte? Wenn es in dieser Fantasie einen gab, konnte es vielleicht auch mehr geben? Ich wunderte mich: was, wenn an alledem ein Fünkchen Wahrheit dran war? Was, wenn jedes Eisenstammmitglied, das in dieser Illusion auftauchte, tatsächlich irgendwo am Leben war? War es der Sinn von alledem, mir die Richtung zu anderen Überlebenden zu weisen?

Ich begann zu rennen, wobei ich mich an anderen Agori und ihren mechanischen Helfern vorbeiquetschte. Ich umrundete die Ecke und landete inmitten eines Marktes. Tische waren überhäuft mit Rüstungen, Nahrung, Stoff, Kunstwerken. Ich erspähte meine Beute am anderen Ende des Platzes, als sie in eine Seitenstraße abbog. Ich blieb in Bewegung, wobei ich Warenständer umriss und überall zornige Ausrufe provozierte. Ackar, ein Feuer-Glatorianer, versuchte, mich aufzuhalten, aber er war zu alt und zu langsam.

Ich umrundete die Ecke mit Höchstgeschwindigkeit und kam in der weichen Erde schlitternd zum Halt. Ein Mitglied des Eisenstamms stand in der Mitte der Straße und zielte mit einem Thornax-Werfer direkt auf meinen Kopf. Aber dies war nicht irgendeiner meiner Brüder. Dies war die Frau, die ich liebte, die vor über hunderttausend Jahren an der Traumseuche starb. Ich begann, ihren Namen zu sagen. Sie feuerte ihre Waffe. Die Thornax raste auf mich zu. Ich spürte einen Schlag gegen meinen Helm, sah einen Lichtblitz, hörte das dumpfe Grollen einer Explosion und dann war ich tot. Schon wieder.

Finsternis wurde zu Licht. Ich war wieder in der Heilerkammer. Diesmal gab es da keine Wasser-Agori, keine Kiina, keine Agori anderer Stämme auf Feldbetten. Ich sah nur Eisen-Agori. Der Aufseher hielt inne, um mich anzustarren. Die Patienten setzten sich in ihren Betten auf und sie alle sprachen zugleich mit derselben Stimme.

"Wir dachten, du würdest stärker sein, Sahmad. Aber du warst genauso schwach wie Telluris, Metus und der ganze Rest. Dennoch können wir uns ein wenig trösten. Schwache Seelen schmecken immerhin köstlich."

Kapitel 5

Es gibt Tage, an denen es einem so vorkommt, als wäre jede Waffe auf der Welt geladen und auf einen gerichtet. Es gibt manche Tage, an denen man weiß, dass selbst dein bester Freund, wenn man einen hätte, dich einem Skopio als mögliche Mahlzeit präsentieren würde.

Ich hatte einen dieser Tage. Lasst mich erklären.

Ich saß in einem illusorischen Heilungszelt und fand mich einem Haufen Agori gegenüber, die nicht wirklich da waren, jedoch alle mit derselben Stimme sprachen. Und sie schickten keine warmen Begrüßungen, sie sprachen von... nun, sagen wir einfach, sie waren gut darin, Drohungen zu machen, und belassen wir es dabei. Hatte ich Angst? Klar. Aber genau wie man eine Thornax-Frucht nehmen und in eine Waffe verwandeln konnte, kann man Furcht nehmen und sie zu Zorn verwandeln. Furcht ist ein Stein, unter dem man sich verstecken kann. Zorn ist ein Stein, den man auf jemand anders werfen kann.

"Wirst du dich zeigen?", fragte ich meinen ungesehenen Gastgeber. "Oder weiterhin nur durch deine erfundenen Agori sprechen?"

Gelächter erfüllte den Raum. Es klang wie Kristall, der zersplittert und dann zu Staub zermahlen wurde.

"Du denkst, die Wesen, die du vor dir siehst, sind Produkte meiner Vorstellungskraft?", fragte mein Fänger. "Dann schau nochmal hin."

Die Agori schimmerten, verblassten, und an ihrer Stelle standen Schwestern der Skrall, vielleicht ein Dutzend. Ich begann, meine Frage zu bereuen. Ich wusste, was die Schwestern mit jemandes Gehirn anstellen konnten. Aber es gibt ein altes Sprichwort, das lautet: "Man überquert den Skrall-Fluss nicht, indem man nur seinen Zeh hineinsteckt."

"Also arbeiten die Schwestern für dich? Sind sie für das verantwortlich, was durch die Traumseuche mit den Eisen-Agori passiert ist?"

Es gab erneut dieses Gelächter. Ich begann, dieses Geräusch zu hassen. "Die Schwestern sind dumme kleine Narren", kam die Antwort. "Sie glauben tatsächlich, dass ein Großes Wesen ihnen Macht verliehen hat. Ich war derjenige, der sie mit den Psionikkräften beschenkt hat, die sie besitzen. Ich hielt es für amüsant, zuzusehen, wie sie die Männer ihrer Spezies zerstören. Aber wie du waren sie zu schwach und ließen zu, dass sie vertrieben wurden. Sie hatten nicht den Willen, zu erobern, und nun haben sie gar keinen Willen mehr."

"Und das war die Seuche also, nur ein weiteres deiner Experimente!?", verlangte ich zu wissen.

Die Münder einer jeden Schwester öffneten sich und dieselbe Antwort kam von ihnen allen. "Experiment? Oh nein. Das war Mittagessen."

Da fielen die Schwestern der Skrall auf den Boden, als würden ihre Beine sie auf einmal nicht mehr tragen können. Eine Nadelspitze aus Licht tauchte bei der gegenüberliegenden Wand auf und wurde schnell immer größer. Mein Gastgeber betrat die Bühne. Ich stand kurz davor, dem Wesen gegenüberzustehen, das meinen Stamm ausgelöscht hatte.

Stellt euch vor, direkt in die Sonne zu starren, und die rötlichen Streifen, die in eure Augen gebrannt wurden, nehmen die Gestalt von Dingen an, die zu scheußlich sind, um sie zu beschreiben. Selbst wenn ihr eure Augen schließt, wenn ihr wegschaut, macht das keinen Unterschied. Ihr wisst, dass ihr etwas gesehen habt, das ihr nie aus eurem Gedächtnis auslöschen könnt. Empfändet ihr euch als glücklich, bei Verstand zu bleiben, oder wäre dies das schlimmste nur denkbare Glück?

"Ich hungerte", sagte eine Stimme aus der Mitte der Lichtkugel. "Und wenn ich Hunger habe, ernähre ich mich. Die Träume deines Volkes waren eine äußerst befriedigende Mahlzeit. Genug, damit ich für viele Jahre keine Nahrung mehr brauchte. Natürlich hatte dein Volk, sobald ich satt war, keine Träume mehr übrig. Aber sie, genau wie die Träume selbst, würde ohnehin keiner vermissen."

Ich brauchte eine Waffe. Ich brauchte etwas, um diese böswillige Sonne auszupusten, die sich immer noch ausdehnte. Sie erfüllte den Raum mit Licht, aber nicht mit Hitze. Nur eine Kälte, die einen bis aufs Mark gefrieren ließ, die im Vergleich die Wüstennacht tropisch erscheinen ließ. Aber ich hatte keine Waffe. Zorn, Trotz, Sturheit und eine Bereitschaft zu sterben, um mein Volk zu rächen, all das hatte ich reichlich. Sie würden genügen müssen.

"Tolles Lichtspektakel", sagte ich. "Ziemlich abgefahren für etwas, das die Großen Wesen gemacht und dann weggeworfen haben. Das bist du doch, oder, nur ein weiteres ihrer gescheiterten Projekte?"

Das Licht loderte heller. Purpurrote Tentakel brachen aus der leuchtenden Kugel hervor. Ich entging nur knapp ihrem Griff.

"Ich existierte, bevor deine Großen Wesen geboren wurden", sagte die Kreatur. "Ich spürte ihr Kommen und fragte mich, ob sie für mich eine Bedrohung darstellen würden. Ich versuchte sogar, ihnen Wahnsinn einzuflößen, aber ihr Verstand war zu... andersartig. Ihr Verstand nährte sich an meinem. Sie nahmen mir meine Träume und jene Energie inspirierte sie zu immer größeren schöpferischen Leistungen und ich war gezwungen, mich in den Tiefen von Spherus Magna zu verstecken."

Verstecken und warten, dachte ich. Und beim Warten wurde es hungrig. Und die Agori bezahlten den Preis dafür.

Ich hörte Geräusche hinter mir. Ich sah mich um, um Metus und Telluris hereinstürmen zu sehen. Oder waren sie es überhaupt? Als ich Metus das letzte Mal gesehen habe, war er eine Schlange. Nun ging er auf zwei Beinen wie jeder andere Agori und er hatte nichts Schlangenartiges an sich.

"Träume", sagte die Kreatur, deren Helligkeit nun den Raum erfüllte. "Ist er eine Schlange, die träumt, dass er ein Agori ist, oder ein Agori, der träumt, dass er eine Schlange ist?"

"Komm schon!", sagte Telluris. "Wir müssen hier raus!"

Ich gestehe, ich habe gezögert. Ich war mir nicht sicher, ob meine beiden Verbündeten echt oder nur weitere Produkte meiner Einbildung waren. Bis ich endlich meine Entscheidung getroffen hatte, waren die Schwestern der Skrall wieder auf den Beinen und kamen auf uns zu. Da rannten wir los, ein Stammeskamerad und ein Agori, der eigentlich nicht rennen können sollte. Wir rannten durch Tunnel, die sich meilenweit erstreckten, rannten, bis wir das Licht von der Oberfläche vor uns scheinen sahen. Telluris rief laut und zwang uns, weiterzugehen. Auf der Oberfläche, im Sonnenlicht, würde alles in Ordnung sein. Wir würden unsere Ängste im Dunkel hinter uns lassen und dann einen Weg finden, ihre Quelle für immer zu vertreiben. Wir mussten es nur ins Licht schaffen. Und das taten wir. Wir kletterten und krallten uns unseren Weg zurück an die Oberfläche, zurück zum hellen Morgen von Spherus Magna. Vorerst waren wir sicher.

Nur... nur, dass es nicht Morgen war. Es war mitten in der Nacht. Und das Licht, das wir gesehen hatten, das Licht, auf das wir über jegliche Ausdauergrenzen hinweg zugerannt waren, war nicht das Sonnenlicht. Es war das Ding. Die Kreatur, vor der wir so hart zu fliehen versucht hatten, sie war auf der Oberfläche, sie war frei von was auch immer sie dazu gezwungen hatte, sich so lange unter der Erde zu verstecken. Und irgendwie wusste ich, dass sie hungrig war.

Charaktere